Anwaltshaftung, Anwaltliche Pflichtverletzung, Schadensersatz – AG Aschaffenburg vom 10.05.2013, Az. 126 C 660/12

1.Jan 2015 | Recht

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Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht Aschaffenburg durch den Richter am Amtsgericht F. auf Grund der mündlichen Verhandlung vorn 20.02.2013 folgendes

Endurteil

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 883,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 762,32 € seit 01.03.2012 und aus 121,50 € seit 17.04.2012 zu zahlen.

Ferner wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 46,41 € an Nebenkosten nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 01.03.2012 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagtenpartei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagtenpartei kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Rückzahlungs- und Schadensersatzansprüche aus einem Anwaltsvertrag.

Im Dezember 2011 ist die Beklagte vom Kläger in zwei unterschiedlichen Angelegenheiten beauftragt worden, ihn anwaltlich zu vertreten.

Zum einen ging es hierbei um die Erhebung einer negativen Feststellungsklage gegen die vom Vermieter mit Schreiben vom 24.11.2011 ausgesprochene Kündigung des Wohnraummietverhältnisses zum 29.02.2012. Dagegen hat der Beklagte auftragsgemäß mit Schriftsatz vom Kündigungswiderspruch erklärt und ebenso auftragsgemäß mit Klageschrift vom eine negative Feststellungsklage beim Amtsgericht Aschaffenburg (Az.: 115 C 190/12) erhoben. Zum anderen ging es um die Beantragung einer einstweiligen Verfügung ge gen den Vermieter aufgrund der Außerbetriebnahme des in der Liegenschaft befindlichen Fahrstuhls. Insoweit hat die Beklagte auftragsgemäß unter dem 30.01.2012 eine einstweilige Verfügung beantragt, die bei Gericht am 03.02.2012 einging, Grund für den Antrag war die Tatsache, dass der Vermieter am 09.12.2011 den Fahrstuhl abgestellt und in der Folgezeit nicht mehr in Betrieb genommen hatte. Über diesen Umstand wurde die Beklagte mit Email des Klägers vom 17.12.2011 informiert. Mit Beschluß vom 06.02.2012 hat das Amtsgericht Aschaffenburg den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wegen fehlerhaften Antrags (nichtbestehender Verfügungsanspruch), fehlenden Verfügungsgrundes (Eilbedürftigkeit), insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Vorwegnahme der Hauptsache, sowie aufgrund eines fehlenden vorgerichtlichen Aufforderungsschreibens.

Der Kläger sah von der Durchführung eines Rechtsmittels gegen den vorerwähnten Beschluss aufgrund der oben dargelegten Gründe ab.

Der Kläger hat an die Beklagtenpartei einen frei verrechenbaren Pauschalvorschuss in Höhe von 1.500,00 € bezahlt.

Mit Email vom 08.02.2012 hat die Beklagte die beiden Mandate niedergelegt.

Das Mandat bezüglich der Feststellungsklage wurde von den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers übernommen und weitergeführt.

Mit Schreiben vom 29.02.2012 hat die Beklagtenpartei ihre Tätigkeit abgerechnet und dem Kläger Gutschriften in Höhe von insgesamt 481,06 € erteilt.

Mit vorgerichtlichem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 22,02.2012 (sowie vom 05.03.2012) war die Beklagtenpartei zur Rückzahlung aufgefordert worden, was jedoch von dieser u.a. mit Schreiben vom 29.02.2012 abgelehnt worden ist.

Klägerseits geltendgemacht werden noch die Kosten der Einschaltung der Prozessbevollmächtigten des Klägers für das Rückforderungsschreiben vom 22.02.2012 in Höhe von 155,30 € (Fristsetzung bis zum 29.02.2012).

Der Kläger behauptet, dass er gegenüber Rechtsanwalt M. und gegenüber dessen Mitarbeitern kein Verhalten an den Tag gelegt habe, welches eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unmöglich gemacht hätte.

Mit Email vom 09.01.2012 an die Beklagte habe der Kläger u.a. daraufhingewiesen, dass der Aufzug noch immer funktionslos sei. In der Email vom 17.01.2012 habe der Kläger die Beklagte gebeten, unverzüglich aktiv zu werden und die Angelegenheit nicht weiter auf die lange Bank zu schieben.

Am 25.01.2012 habe sich der Kläger mit Email bei der Beklagtenpartei über den Fortgang der einstweiligen Verfügung erkundigt und insbesondere auf das lange Zuwarten hingewiesen. Er habe Herrn Rechtsanwalt M. sogar anheimgestellt, die Sache an einen Kollegen abgeben zu können.

Auch die Beschwerde des Klägers vom 07.02.2012 an die Geschäftsleitung der Kanzlei H. enthalte keine persönliche Note gegenüber Rechtsanwalt M.

Die Beklagte habe ihre Kündigung per Email nicht begründet. Für den Kläger sei nicht erkennbar, warum das Mandatsverhältnis aufgekündigt worden sei.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 883,82 € nebst 5%-Punkten über dem Basiszinssatz an Zinsen aus 762,32 € seit 30.02.2012 und aus 121,50 € seit Klagezustellung zu zahlen.

Ferner den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 155,30 € an Nebenkosten nebst 5%-Punkten über dem Basiszinssatz an Zinsen hieraus seit dem 30.02.2012 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, dass das ständige und permanente Beschweren über nicht erfolgte Rückrufe gegenüber den Mitarbeitern der Kanzlei auch ins persönliche gegenüber Rechtsanwalt M. herabgeglitten sei. Trotz des regen Telefon- und Emailschriftverkehrs habe sich der Kläger fortlaufend beschwert und trotz der Kenntnis der Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens und des Klageverfahrens gegen die Vermieter mit Datum vom 07.02.2012 eine Email an die „Geschäftsleitung“ der Kanzlei H. gerichtet, in welchem er sich erneut über die mangelnde Kommunikation beschwert habe, wobei er gleichzeitig angegeben habe, dass er mit Herrn Rechtsanwalt M. darüber gesprochen habe, den Fall einem anderen Anwalt zu übergeben. Letzteres sei jedoch nicht erfolgt.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie den Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten aus § 812 Abs. 1, S. 2 , I. Alternative i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB die Zahlung von 762,32 € verlangen, darüber hinaus gem. § 280 Abs. 1 BGB die Zahlung von weiteren 121,50€.

Die Beklagte konnte zunächst aus dem Mandatsverhältnis (Anwaltsvertrag) , einem Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB Zahlung von 762,32 € beanspruchen. Dieser Anspruch ist jedoch als Rechtsgrund für die Zahlung gem. § 628 Abs. 1, S. 2 BGB sowie aufgrund der klägerseits gegen den Beklagten bestehenden Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB entfallen.

Beklagtenseits wurde das Dienstverhältnis fristlos gekündigt, ohne dass die Beklagte durch ein vertragswidriges Verhalten des Kläger dazu veranlasst gewesen wäre. Diesbezüglich steht ihr ein Anspruch auf Vergütung nicht zu, soweit die bisherigen Leistungen in Folge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben. Aufgrund der Vorauszahlung der Vergütung kann der Kläger diese nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangen.

Die Beklagtenpartei hatte gegenüber dem Kläger Dienste höherer Art zu leisten, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Deshalb bestand gem. § 627 Abs. 1 BGB die Berechtigung, den Anwaltsvertrag jederzeit zu kündigen, ohne dass es auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB ankam.

Die Beklagte ist zur Kündigung jedoch nicht durch vertragswidriges Verhalten des Klägers veranlasst worden.

Beklagtenseits erfolgte zu etwaigen Pflichtverletzungen des Klägers lediglich ein pauschaler Vortrag, welcher vom Kläger zu Recht als unsubstantiiert gerügt worden ist. Mangels Substanz des Beklagtenvortrages genügt auch klägerseits ein pauschales Bestreiten, der Kläger hat keine Veranlassung! ein vertragwidriges Verhalten hinsichtlich bestimmter Pflichtverletzungen ausräumen.

Im Übrigen hätte der Kläger beklagtenseits vor der Kündigung deutlich belehrt und abgemahnt werden müssen, ihm hätte die Mandatsniederlegung angedroht werden müssen, wenn eine Kürzung des Vergütungsanspruchs vermieden werden sollte. Solches ist aber unstreitig nicht erfolgt.

Im Hinblick auf die Kündigung des Wohnraummietverhältnisses hat der Kläger die Prozessbevollmächtigten beauftragt, ihn im Verfahren 115 C 190/12 weiter zu vertreten. Deshalb kann beklagtenseits die Verfahrensgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer nicht beansprucht werden. Die beklagtenseits erbrachte Leistung ist für den Kläger insoweit wirtschaftlich nutzlos, da der Kläger aufgrund der beklagtenseits erfolgten Kündigung einen anderen Prozessbevollmächtigten neu bestellen musste, für den die gleichen Gebühren nochmals entstehen. Insoweit hat der Kläger einen begründeten Rückforderungsanspruch, da eine Kürzung der Gebühren des neuen Anwalts gemäß den Regeln des Gebührenrechts nicht in Betracht kommt. Beklagtenseits kann nur für den vorgerichtlichen Widerspruch gegen die Kündigung die nicht anrechenbare 0,65 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 4.542,96 € in Höhe von insgesamt 256,62 € beansprucht werden.

Im Zusammenhang mit der einstweiligen Verfügung steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB in Höhe der anwaltlichen Gebühren zu.

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wurde falsch gestellt, da ein Anspruch des Klägers auf Besitzeinräumung hinsichtlich des Aufzugs nicht bestand. Der Aufzug war an den Kläger nicht mitvermietet worden. Aus dem Mietvertrag ging lediglich hervor, dass die zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Anlagen und Einrichtungen in ihrem jeweiligen Umfang und gem. den dafür geltenden besonderen Bestimmungen vom Mieter mitbenutzt werden können. Hierzu gehört auch die Benutzung des Aufzuges, was einen rein tatsächlichen Vorgang darstellt, der mit dem Betreten des Aufzuges beginnt und mit dem Verlassen des Aufzuges endet. Der Antrag war damals aber nicht auf die Gewährung der Gebrauchsmöglichkeit des Aufzuges gerichtet.

Es erfolgte auch keinerlei Vortrag, dass die damalige Antragsgegnerseite zu Reparaturmaßnahmen hinsichtlich des Aufzuges aufgefordert worden wäre. Eine solche Aufforderung mit entsprechender Fristsetzung hätte beklagtenseits sofort erfolgen müssen, um zu verhindern, dass der Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit entfällt. Bei der rechtlichen Prüfung der Antragstellung im einstweiligen Verfügungsverfahren war auch das grundsätzlich bestehende Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache zu berücksichtigen. Beklagtenseits wurde die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Dies hätte bei sorgfältiger Prüfung der Rechtslage und der Beachtung des Gebots des sichersten Weges erkannt und vermieden werden können. Da eine Heilung der Pflichtverletzungen nicht mehr möglich war, sah der Kläger von der Durchführung eines Rechtsmittels gegen den Beschluss des AG Aschaffenburg vom 06.02.2012 ab. Ein Schaden ist dem Kläger im Hinblick auf die in Rechnung gestellten Rechtsanwaltskosten für das einstweilige Verfügung s verfahre n in Höhe von 272,87 € entstanden, desweiteren durch die ohne Nutzen für den Kläger berechneten Gerichtskosten in Höhe von 121,50€. Für den entstandenen Schaden, der auf fehlerhafter rechtlicher Einschätzung beruhte, war die Beklagte allein verantwortlich.

Der Kläger kann von der beklagten Partei 883,82 € verlangen, nämlich 1.500,00 € abzüglich 256,62 €, außerdem abzüglich erstatteter 481,06 €, zuzüglich Gerichtskosten in Höhe von 121,50 €.

Die Beklagtenseite hat insoweit Verzugszinsen gem. §§ 286, 288 BGB ab 01.03.2012 zu leisten (vorgerichtliches Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 22.02.2012 mit Fristsetzung zum 29.02.2012). Bezüglich des Betrages von 121,50 € sind die Zinsen gem. § 291 BGB ab Eintritt der Rechtshängigkeit zu zahlen.

Außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 € (1,3 Geschäftsgebühr aus 272,87 € nämlich 32,50 € zuzüglich Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nämlich 6,50 €, zuzüglich 19% Umsatzsteuer in Höhe von 7,41 €) mit Zinsen ab 01.03.2012 kann der Kläger von der Beklagten aufgrund der Pflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Einstweiligen Verfügungsverfahren verlangen, darüber hinaus keine.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO

gez.

F.
Richter am Amtsgericht

Dieses Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg wurde von den Rechtsanwälten Markus Holzer und Nadja Goldmann erstritten.

Wir würden uns sehr freuen, Sie in unserer Kanzlei in Aschaffenburg persönlich begrüßen zu dürfen, Ihr Rechtsanwalt Markus Holzer, Ihre Rechtsanwältin Nadja Goldmann, 63739 Aschaffenburg.

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