Nettopolice, Vermittlungsgebühr, Vermittlungsgebührenvereinbarung – LG Aschaffenburg vom 3.3.2011, Az. 21 O 50/10

28.Aug 2015 | Versicherungsrecht

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In dem Rechtsstreit

……………

wegen Forderung

erlässt das Landgericht Aschaffenburg – 2. Zivilkammer – durch den Vizepräsidenten des Landgerichts als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2011 folgendes

Endurteil

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt vom Beklagten 13.806,18 € rückständige Vermittlungsgebühren.

Die N. GmbH vermittelte als Handelsmaklerin für den Beklagten eine fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherung; gleichzeitig schloss sie mit dem Beklagten am 27.2.2006 eine Vermittlungsgebührenvereinbarung, aus der die Klägerin den Beklagten in Anspruch nimmt. Die N. GmbH trat nämlich am 28.11.2007 ihre Ansprüche aus der Vermittlungsgebührenvereinbarung an die Klägerin ab. Der Versicherungsbeginn sollte am 1.4.2006 sein. Nach der Vermittlungsgebührenvereinbarung sollte der Beklagte, beginnend am 1.4.2006, in den ersten 5 Versicherungsjahren monatliche Vermittlungsgebühren in Höhe von 248,65 € zahlen. Bei dem angebotenen Produkt handelt es sich um eine sogenannte Nettopolice, das bedeutet, dass die Versicherungsgesellschaft in die Versicherungsbeiträge, die der Beklagte zu zahlen hat, keine Vermittlungsprovision für die Vermittlertätigkeit der N. GmbH einkalkulierte. Der Beklagte zahlte für den Monat April 2006 die vereinbarte Rate in Höhe von 248,65 €; weitere Zahlungen leistete er in der Folgezeit nicht. Mit Schreiben vom 21. 12. 2007 verlangte deshalb die Klägerin vom Beklagten die rückständigen Raten aus der Vermittlungsgebührenvereinbarung in Höhe von 13.806,18 €, die vom Beklagten nicht bezahlt wurden.

Die Klägerin behauptet im Wesentlichen, sie sei wegen der Einwilligung des Beklagten Inhaberin der Forderung geworden. Die Betreuungs- und Beratungsverpflichtungen des Versicherungsmaklers würden lediglich das von ihm zu vermittelnde Versicherungsverhältnis betreffen und nicht die Vermittlungsgebührenvereinbarung. Die Maklercourtage regele als sogenannte „Preisvereinbarung“ Art und Umfang der Vergütung unmittelbar und unterliege damit keiner BGB-Inhaltskontrolle. Die Vermittlungsgebührenvereinbarung verstoße auch nicht gegen die guten Sitten, denn die ausgehandelten 7,794 % der Gesamtbeitragssumme seien marktüblich und angemessen. Eine unangemessene Benachteiligung enthalte die Vermittlungsgebührenvereinbarung nicht und sie stehe auch nicht im Widerspruch zu wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung.

Die Klägerin steift folgenden Antrag:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.806,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 1.1.2008 sowie 899,40 € nebst 5,- € vorgerichtliche Mahnauslagen zu zahlen.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Er bringt hauptsächlich vor, die Klägerin sei wegen unwirksamer Abtretungen nicht Inhaberin der Forderung geworden. Unabhängig davon sei die Vermittlungsgebührenvereinbarung unwirksam. Sie verstoße nämlich gegen die guten Sitten. Die Höhe der Prämie stehe in keiner Relation zur Beitragssumme für die ersten 5 Jahre. Darüber hinaus enthalte sie eine unangemessene Benachteiligung und stehe im Widerspruch zu wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung. Sie verstoße auch gegen ein gesetzliches Verbot, da diese gesonderte Vereinbarung dazu führen solle, dass der Vermittler seinen Anspruch dann erhalte, wenn der Versicherungsvertrag später wegfalle. Er sei bei Abschluss des Lebens- und Rentenversicherungsvertrages mangelhaft beraten worden, weil die Beratung nur auf die Vermittlung des Versicherungsvertrages beschränkt gewesen sei. Die fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherung sei für ihn auch völlig ungeeignet. Sie entspreche nicht seinem Bedarf, weil er bereits über mehrere Lebens- und Rentenversicherungen verfügt habe. In diesem Zusammenhang sei er veranlasst worden, die bereits bestehenden Versicherungen zu kündigen bzw. beitragsfrei zu stellen, was ihm nur wirtschaftlichen Schaden eingebracht habe. Auch über die Vermittlungsgebührenvereinbarung sei er nicht ausreichend aufgeklärt worden.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschlüsse vom 13.7. und 11.11.2010 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmungen der Zeugen O. M., G. G. und A. N.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 14.10.2010 und 27.1.2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß §§ 652 Abs. 1 Satz 1, 398 BGB in Verbindung mit § 93 HGB und Ziff. 3 der zwischen der N. GmbH und dem Beklagten geschlossenen Vermittlungsgebührenvereinbarung keinen Anspruch, da die Klägerin durch die Geltendmachung ihres Anspruchs auf Zahlung der Vermittlungsgebühren eine Forderung verfolgt, hinsichtlich derer sie etwas Geleistetes als Schadensersatz zurückerstatten müsste, die Geltendmachung damit nach § 242 BGB ausgeschlossen ist.

Der Beklagte kann im vorliegenden Fall im Wege des Schadensersatzes wegen erwiesener Falschberatung bei Durchführung des Maklervertrages Freistellung von den Ansprüchen der Klägerin auf Zahlung von Maklerlohn verlangen, § 280 Abs. 1 BGB. Zwar ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung im Regelfall davon auszugehen, dass eine Verpflichtung des Maklers zur umfassenden Betreuung der Interessen des Kunden und zu einer entsprechenden Beratung grundsätzlich nur im Rahmen der Beratung hinsichtlich des zu vermittelnden Lebensversicherungsvertrages besteht (BGH WM 2007,1676 ff.; NJW-RR 2005, 1425 f; Urteil des OLG Frankfurt vom 11.2.2009, Aktenzeichen: 7 U 38/08). In Bezug auf den Abschluss des vorgelagerten Maklervertrages stehen sich nämlich der Versicherungsmakler und sein Kunde wie bei anderen Verträgen mit entgegengesetzten Interessen selbstständig gegenüber. In solchen Fällen besteht keine regelmäßige Pflicht einer Partei, von sich aus – ungefragt – den anderen vor oder bei Vertragsschluss über die damit verbundenen Risiken zu unterrichten. Jedermann darf grundsätzlich davon ausgehen, dass sich sein künftiger Vertragspartner selbst über die Umstände, die für dessen Vertragsentscheidung maßgeblich sind, sowie über Art und Umfang seiner Vertragspflichten im eigenen Interesse Klarheit verschafft hat. Es ist im Allgemeinen nicht Aufgabe des Vertragsgegners, gegenüber dem anderen Teil die Nachteile und Gefahren zu verdeutlichen, die mit den Pflichten aus dem beabsichtigten Vertrag verbunden sind, und diese gegen die Vorteile abzuwägen. Nur ausnahmsweise kann eine Aufklärungspflicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestehen, wenn wegen besonderer Umstände des Einzelfalls davon ausgegangen werden muss, dass der künftige Vertragspartner nicht hinreichend unterrichtet ist und die Verhältnisse nicht durchschaut (BGH NJW 2001, 2021; NJW2006, 2618, 2619; BGH WM 2007, 1676 ff.).

Im vorliegenden Fall sind solche besonderen Umstände vorhanden. Der Beklagte ist nämlich nicht über das Schicksal des Provisionsanspruchs hinsichtlich des Maklervertrages für den Fall einer Kündigung der Lebens- und Rentenversicherung aufgeklärt worden. Er hat diesbezüglich angegeben, dass die Versicherungsvertreter G. und No. ihn beraten haben. Sie teilten ihm bei den mehreren Besuchen mit, dass seine schon bestehenden Lebensversicherungen nichts wert sind und er sie deshalb kündigen soll. In diesem Fall sollte er den Rückkaufswert erhalten und zusätzlich noch einen Bonus, den er sich allerdings mit den beiden Versicherungsvertretern teilen sollte. Nach den Kündigungen seiner Lebensversicherungen hat der Beklagte dann die streitgegenständlichen Verträge unterschrieben, ohne die Vertragstexte im Einzelnen durchzulesen. Über die Vermittlungsgebührenvereinbarung und deren Sinn sowie Auswirkungen ist dabei nach seinen glaubhaften Angaben von den beiden Versicherungsvertretern nichts gesagt worden.

Diese Angaben hat die Zeugin A. N., die Mutter des Beklagten, sicher und glaubhaft bestätigt. Danach haben die beiden Versicherungsvertreter G. und No. auf den Beklagten eingeredet, dass er seine bestehenden Lebensversicherungen kündigt; in diesem Fall würde er nämlich viel Geld zurückbekommen. Die notwendigen Kündigungsschreiben für die vorhandenen Lebensversicherungen haben dann die Versicherungsvertreter G. und No. vorgefertigt und der Beklagte hat sie lediglich unterschrieben. Die Zeugin A. N., die bei allen Gesprächen zugegen war, konnte sicher sagen, dass von einer Vermittlungsgebührenvereinbarung nicht gesprochen wurde, eine Aufklärung darüber fand jedenfalls nicht statt. Wenn das Wort „Vermittlungsgebührenvereinbarung“ gefallen wäre, hätte sie nach ihren sicheren und glaubhaften Angaben die ganze Sache sofort gestoppt.

Der Zeuge G. G. , der von Beruf Maurermeister ist, war von 2004 bis Anfang des Jahres 2006 Vermittler für Versicherungen gewesen. Nach seinen Angaben bestand seine Hauptaufgabe in dieser ganzen Zeit darin, bei den Vertragsverhandlungen zuzuhören und dabei die Vermittlungstätigkeit zu lernen. Sein früherer Vertriebsleiter hat ihm ausdrücklich gesagt, dass der Versicherungsvertreter No. bei Vertragsverhandlungen redet und er lediglich zuhören soll. Der Zeuge G. G. wusste nach so langer Zeit von den konkreten Gesprächen und Verhandlungen nahezu nichts mehr. Er konnte sich nur noch erinnern, dass dem Beklagten gesagt worden ist, dass es sich einmal um eine Lebensversicherung handelt und dafür Beiträge bezahlt werden müssen und auf der anderen Seite eine Vermittlungsgebührenvereinbarung abgeschlossen wird, mit der die Versicherungsvertreter ihre Vermittlungsgebühren erhalten. Ob der Beklagte dies verstanden hat und eine weitere Aufklärung darüber im Einzelnen erfolgt ist, wusste der Zeuge G. G. nicht. Ihm war auch nicht bekannt, warum man zwei Verträge abschließt, nämlich einmal einen Vertrag über die Lebensversicherung und einmal eine Vermittlungsgebührenvereinbarung. Auch konnte er sich nicht mehr daran erinnern, ob der Beklagte und der Versicherungsvertreter No. die einzelnen Verträge unterschrieben haben oder nicht.

Bei dieser Sachlage hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Beklagte die versicherungsrechtlichen Verhältnisse nicht durchschaut hat. Für die beiden Versicherungsvertreter G. und No. hätte deshalb nach Treu und Glauben die Verpflichtung bestanden, den Beklagten über die Vermittlungsgebührenvereinbarung umfassend aufzuklären. Dies wurde unterlassen, wie der Beklagte und die Zeugin A. N. glaubhaft bekundet haben; zudem konnte auch der Zeuge G. G. nicht bestätigen, dass eine ausführliche Beratung über die Vermittlungsgebührenvereinbarung stattgefunden hat. Dem Beklagten steht somit ein Schadenersatzanspruch gegen die Klägerin wegen der Falschberatung zu. Der auf der Falschberatung beruhende Schaden ist darin zu sehen, dass der Beklagte eine Vermittlungsgebührenvereinbarung abgeschlossen hat. Die Klägerin kann danach Zahlung der noch ausstehenden Beträge nicht verlangen.

Die Klage war somit in vollem Umfang abzuweisen.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Dieses Urteil des Landgerichts Aschaffenburg wurde von den Rechtsanwälten Markus Holzer und Nadja Goldmann erstritten. Wenn Sie Unterstützung durch einen Anwalt für Arbeitsrecht, Strafrecht, Familienrecht in Aschaffenburg benötigen, kontaktieren Sie uns gerne.

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