Honorarklage, Gebührenklage, Vorschuss, § 9 RVG – AG Aschaffenburg vom 29.05.2013, Az. 126 C 2003/12

1.Jan 2015 | Recht

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Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht Aschaffenburg durch den Richter am Amtsgericht F. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2013 folgendes

Endurteil

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1419,19 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 22.07.2012 zu zahlen.


II. Die Widerklage wird abgewiesen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin und der Beklagte streiten wegen Ansprüchen aus anwaltlicher Dienstleistung.

Der Beklagte beauftragte die Klägerin am 3.7.2012, in der Zeit zwischen 15:00 Uhr und 16:00 Uhr in einem persönlichen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt H. in den Kanzleiräumen, seine Rechte im Zusammenhang mit einer erbrechtlichen Auseinandersetzung geltend zu machen.

Der Beklagte ist zusammen mit seiner Schwester J. W. durch Verfügung von Todes wegen vom 4.12.1970 zu je 1/2 Erbe nach Frau P. K. geworden. Zur Erbmasse gehörte auch ein Hausanwesen in B. Weil sich der Beklagte und sein Schwester auf einen Verkauf nicht einigen konnten, wurde das Haus teilungsversteigert. Ebenfalls wegen Differenzen der beiden Erben wurde der Reinerlös von 79.335,94 € beim Amtsgericht G. hinterlegt. Der Beklagte beauftragte die Klägerin Maßnahmen zu ergreifen, damit die auf ihn entfallende Hälfte in Höhe von 39.667,97 € von der Hinterlegungsstelle an ihn ausgezahlt werden kann. Zu diesem Zweck wurde die Schwester des Beklagten mit vorgerichtlichen Schriftsatz vom 11.07.2012 angeschrieben und aufgefordert, eine vorformulierte Freigabebewilligung unterschrieben zurückzusenden.

Am 03.07.2012 hat der Beklagte eine Vollmacht, eine Vereinbarung über die Haftungsbegrenzung, einen Hinweis nach § 49 b Abs. 5 BRAO sowie eine Einverständniserklärung unterzeichnet, dass sämtlicher Schriftverkehr mit ihm per E-Mail abgewickelt werden könne. Kopien dieser Schriftstücke wurden dem Beklagten nicht ausgehändigt, bis zu seinem Schriftsatz vom 24.11.2012 hat er auch hierum nicht gebeten. Der Beklagte hielt die Aushändigung für üblich.

Der Beklagte war im Besprechungstermin am 3.07.2012 damit einverstanden, dass die Angelegenheit vom Unterzeichner bearbeitet wird, nachdem er zunächst einen Termin mit der am 3.07.2012 verhinderten Rechtsanwältin G. vereinbart hatte.

Im Beratungstermin wurde der Beklagte über die voraussichtlichen Kosten aufgeklärt. Ihm wurde gesagt, dass für eine mögliche Klage ein Gerichtskostenvorschuss von etwa 1300 € sowie Anwaltskosten in Höhe von etwa 3500 € entstehen würden. Hierzu hat der Beklagte keine Erklärung abgegeben. Bei der Beratung wurde die Möglichkeit einer klageweisen Geltendmachung erörtert, da sich der Beklagte und seine Schwester auch beim Verkauf des Anwesens nicht einigen konnten und daher die Zwangsversteigerung durchgeführt werden musste. Insoweit sprach einiges dafür, dass der Beklagte und seine Schwester auch hier ohne gerichtliche Hilfe die Auseinandersetzung des aus der Teilungsversteigerung resultierenden Erlöses nicht bewerkstelligen könnten. Der Verkaufserlös musste wegen Streitigkeiten bereits hinterlegt werden.

Bereits mit E-Mail vom 09.07.2012 erhielt der Beklagte den Entwurf des Anschreibens an seine Schwester. Mit E-Mail vom gleichen Tag bekundete er sein Einverständnis mit diesem Schreiben und bat um Erledigung.

Auf das Anschreiben reagierte die Schwester des Beklagten mit vorgerichtlichem Anwaltschriftsatz vom 8.8.2012.

Dieses Schreiben wurde von der Klägerin entgegengenommen, auf seinen Inhalt geprüft und an den Beklagten zur Stellungnahme sowie Besprechung des weiteren Vorgehens weitergeleitet.

Mit Rechnung vom 11.07.2012 wurde ein Vorschuss gem. § 9 RVG gegenüber dem Beklagten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 39.667,97 € nebst Postentgeltpauschale sowie 19% Umsatzsteuer, insgesamt 1419,19 €, abgerechnet, wobei der Streitwert das Interesse des Beklagten darstelle. Es wurde darum gebeten, den Betrag innerhalb von 10 Tagen nach Rechnungsdatum zu überweisen.

Trotz Mahnungen vom 26.07.2012 und vom 2.08.2012 hat der Beklagte hierauf keine Zahlungen geleistet. Auch hat er zum Schreiben seiner Schwester vom 8.8.2012 keine Stellungnahme abgegeben, obwohl diese mit E-Mail vom 10.08.2012 angefordert wurde. Da sich der Beklagte bei der Klägerin überhaupt nicht mehr meldete, wurde das Mandatsverhältnis sowohl aufgrund der Nichtbezahlung des Vorschusses als auch wegen mangelnder Kooperation mit Schreiben vom 24.08.2012 niedergelegt.

Der Beklagte hat keinen einzigen Cent gezahlt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1419,19 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 22.07.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, die überlassenen Unterlagen herauszugeben, des weiteren festzustellen, dass die Klägerin für den entstandenen Vermögensschaden hafte.

Die Klägerin und Widerbeklagte beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte meint, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung des im Klageantrag geltend gemachten Rechnungsbetrages, da sie nicht die in Rechnung gestellte Leistung erbracht habe und das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandantin von Anfang an vorsätzlich gestört habe. Die emotionale Zwangslage sei zum eigenen Vorteil ausgenutzt worden.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, außerdem auf den mündlichen Vortrag in der Sitzung vom 8.5.2013 (S-Protokoll v. 8.5.2013, Bl. 41-43 d. Akten).

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist begründet, die Widerklage unzulässig, mindestens aber unbegründet.

Der Beklagte schuldet der Klägerin für die erbrachte Tätigkeit gem. §§ 675, 611 BGB i.V.m. den Bestimmungen des RVG 1419,19 €.

Die Höhe eines Vorschusses gem. § 9 RVG umfasst alle im Mandat entstandenen und voraussichtlich noch entstehenden Gebühren und Auslagen. Die Vorschussanforderung muss angemessen sein. Dies bedeutet aber lediglich, dass der Rechtsanwalt selbst entscheiden kann, bis zu welcher Höhe er den Vorschuss geltend machen will. Angemessen ist der Vorschuss auch dann noch, wenn der Rechtsanwalt den Rahmen des § 9 voll ausschöpft und alle voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen in die Berechnung des Vorschusses aufnimmt. Bei Rahmengebühren muss er sich an den zu erwartenden Gebühren und an der voraussichtlichen Bemessung orientieren.

Die Rechnung vom 11.07.2012 ist korrekt, die Klägerin ist entsprechend dem erteilten Auftrag tätig geworden. Der Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt abgelehnt, dass Rechtsanwalt H. für ihn tätig wird.

Er hat vor der Kündigung (gem. § 627 BGB) weder die Aushändigung von Kopien der von ihm unterzeichneten Schriftstücke verlangt noch dass ihm die per E-Mail übersandten Schreiben auch noch per Post übersandt werden sollten. Nach Stellung der Vorschussrechnung hat der Beklagte auf die E-Mails der Klägerin überhaupt nicht mehr reagiert. Er hat insbesondere nicht um eine Fristverlängerung gebeten oder erklärt, warum er beispielsweise nicht fristgerecht eine Stellungnahme abgeben könne. Substanziiert hat der Beklagte keinerlei Tatsachen vorgetragen, die ganz oder teilweise eine Klageabweisung begründen könnten.

Die Widerklage ist hinsichtlich beider Anträge abzuweisen.

Der Antrag „der Kläger hat die überlassenen Unterlagen herauszugeben“ ist unbestimmt und nicht vollstreckbar. Der Beklagte muss als Widerkläger genau sagen, was er will. Er konnte in der mündlichen Verhandlung keine bestimmten Unterlagen benennen, die er herauszugeben verlangt.

Im Übrigen hätte der Beklagte darlegen und beweisen müssen, welche Unterlagen klägerseits nicht herausgegeben werden.

Der Antrag „der Kläger haftet für den entstandenen Vermögensschaden“ ist ein Feststellungsantrag, der ebenfalls nicht genügend bestimmt ist. Im Übrigen fehlt das notwendige Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO. Ein rechtliches Interesse an einer einstweiligen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage der klagenden Partei eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Insoweit wurde seitens des Beklagten und Widerklägers nichts dargelegt.

Der Beklagte hat auch nicht vorgetragen, wie hoch welcher wodurch entstandene Vermögensschaden zu beziffern ist. Jedenfalls hat der Beklagte nicht behauptet, dass die Kündigung zur Unzeit erfolgt sei. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beklagte die anwaltlichen Dienste nicht rechtzeitig anderweitig beschaffen konnte.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarekeit: § 709 ZPO.

Beschluss:
Der Streitwert der Klage wird auf 1419,19 € festgesetzt, der Streitwert der Widerklage auf 500 €.

gez.

F.
Richter am Amtsgericht

Dieses Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg wurde von den Rechtsanwälten Markus Holzer und Nadja Goldmann erstritten.


Wir würden uns sehr freuen, Sie in unserer Kanzlei in Aschaffenburg persönlich begrüßen zu dürfen, Ihr Rechtsanwalt Markus Holzer, Ihre Rechtsanwältin Nadja Goldmann, 63739 Aschaffenburg.

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